KarMenu01

31 Juli 2017

Olavsweg (Norwegen, 643 km)


Idee 

Im Sommer 2017 wollte ich meine erste Solo-Langstreckenwanderung absolvieren.

Wo könnte mich meine Wanderlust hinführen?
Das waren so meine Gedanken…

Da gab es kein langes Überlegen. Norwegen sollte es sein. Mein Lieblings-Urlaubsland. Außerdem wollte ich auf einem markierten Wanderweg unterwegs sein, der dazu noch relativ „zivisilationsnah“ verlaufen sollte. Da blieben nicht mehr viele Wanderwege übrig und die Wahl fiel auf den Olavsweg.

Planung

Im Internet ist eine Fülle von Informationen über den Olavsweg zu finden. Bei der intensiven Recherche bin ich auch auf den Wanderführer aus der OUTDOOR-Reihe des Conrad-Stein-Verlags gestoßen. Dieser Wanderführer war eine wertvolle Hilfe bei der Planung der Wandertour. Dort werden insgesamt 32 Tagesetappen von unterschiedlicher Länge sehr genau beschrieben. Die Autorin des Wanderführers hat auch freundlicherweise Tracks für alle Tagesetappen zur Verfügung gestellt. Diese Tracks waren die Grundlage für meine eigene Planung. Da die heruntergeladenen Tracks zu wenig Trackpunkte enthielten, bildeten die Tracks nur ungenau den tatsächlichen Verlauf des Olavswegs ab. Deshalb erzeugte ich meine Tracks, unter Berücksichtigung der Original-Tracks aus dem Wanderführer, alle manuell. Das war eine Fleißarbeit, aber es hat sich gelohnt. Zusätzlich passte ich die Länge der Tagesetappen nach meinen Vorstellungen an. So sind genau 24 Tagesetappen entstanden, bei denen viele über 30 km lang waren. Mit 2 geplanten Zero-Days (=Ruhetage) wollte ich so den Olavsweg in 26 Tagen schaffen. Dieser enge Zeitrahmen hatte einen bestimmten Grund. 

Der Plan war so: 

  • Anreise am 4.Juli per Flugzeug nach Gardermoen bei Oslo, 
  • Start der Wanderung am 5.Juli in Oslo, 
  • Ende der Wanderung am 30.Juli in Trondheim. 
Das sind genau 26 Tage.

Nach meiner Wanderung wollten wir, meine Frau, ein befreundetes Ehepaar und ich, noch einen 14-tägigen Urlaub, ungefähr 100 km von Trondheim entfernt, anhängen. Dafür hatten wir mit Freunden ein Ferienhaus gemietet. Auf dem Weg zum Ferienhaus sind meine Freunde und meine Frau mit dem Auto an Trondheim vorbeigefahren. Bei dieser Gelegenheit wollten sie mich „aufladen“. Deshalb musste ich genau am 30.Juli zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Stelle in Trondheim sein. Welche Probleme dieser enge Zeitrahmen mit sich gebracht hat, werde ich noch berichten.

Anreise

Die Anreise per Bus von Schochwitz nach Halle, per Zug (ICE) von Halle nach Berlin und per Flugzeug von Berlin (Tegel) nach Gardermoen bei Oslo hat problemlos funktioniert. Kein Verkehrsmittel hatte eine nennenswerte Verspätung. Das Wetter war super, Sonnenschein pur. Vom Flughafen Gardermoen ging es dann mit der Schnellbahn Richtung Süden nach Oslo zum Hauptbahnhof. Ich übernachtete auf dem Campingplatz Ekeberg mitten in Oslo. Der Campingplatz liegt nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt und bietet durch seine zentrale Lage auf einem Berg mitten in der Stadt einen fantastischen Ausblick auf Oslo.

Strecke

Der Olavsweg startet in Oslo an der Hallvardskatedralen und endet in Trondheim am Nidarosdomen und ist 643 km lang.

Bild 1: Startpunkt des Olavsweges

Der Wanderweg ist hervorragend markiert und damit für den Anfänger im Bereich des Langstreckenwanderns ideal geeignet. Ein Verlaufen ist fast unmöglich.

Trotzdem gab es auf so ziemlich jeder Tagesetappe immer wieder Situationen, wo ich mein Navigationsgerät über den weiteren Weg befragen musste. Das war vor allem in Ortschaften erforderlich. Dort waren für meine Begriffe zu wenig Markierungen zu finden. Auf solche Situationen sollte jeder vorbereitet sein.

Die örtlichen Wandervereine, die den Olavsweg betreuen, nehmen sich das Recht heraus, den Verlauf des Wanderweges nach Bedarf zu ändern. Oft werden dann Straßenpassagen durch Geländepassagen ersetzt. Manchmal sind auch Baumaßnahmen an den Wegen und Straßen ein Grund für die Änderungen. Diese Änderungen sind in den bekannten Wanderführern (OUTDOOR, Rother) aufgrund des Erscheinungsjahres der Wanderführer natürlich nicht immer aktuell. Manche Verlage informieren deshalb auf ihren Internet-Seiten per Update über solche Änderungen. Aber auch die sind nicht immer hochaktuell. Deshalb muss man immer auf Überraschungen gefasst sein, die den Verlauf des Olavswegs betreffen. Solche plötzlichen Änderungen werden aber durch zahlreiche Markierungen sehr genau gekennzeichnet.

Der Olavsweg besitzt in großen Teilen Mittelgebirgscharacter, wie man ihn aus dem Harz, dem Thüringer Wald oder dem Erzgebirge kennt. Es gibt allerdings Tagesetappen, wo gelegentlich „Kletterkünste“ (Klettern über Holzleitern) gefragt sind, aber das hält sich in Grenzen.

Auf den ersten Tagesetappen (Oslo über Hamar bis Lillehammer) sind viele Kilometer auf Straßen und Radwegen zu bewältigen. Auch danach gibt es immer wieder Passagen, die auf Straßen entlang führen.

Am schönsten sind die Tagesetappen durch das Fjell. Das ist eine baumlose Hochebene in einer Höhe von 800 bis 1300 Metern. Dort herrscht eine unglaubliche Ruhe. Nur die Stimmen der Natur sind zu hören.

Bild 2: Wanderhütte des norwegischen Wandervereins DNT

Diese Ruhe wird aber bei vielen Tagesetappen unterbrochen. Der Olavsweg verläuft in großen Teilen in der Nähe der Fernstraße E6, die in Teilstücken autobahnartig ausgebaut ist. Die E6 ist die Hauptverbindungsstraße zwischen Oslo und Trondheim und führt auch durch das Gudbrandsdalen. Das Gudbrandsdalen ist das größte und längste Tal in Norwegen. Das Tal ist dicht bewohnt und wird landwirtschaftlich sehr stark genutzt. Durch dieses Tal fließt ein Fluss, der Lagen. Neben dem Fluss liegt die E6 und noch eine Bahnstrecke in Richtung Norden. Viele große Städte, wie Hamar und Lillehammer, liegen ebenfalls in diesem Tal. Der Olavsweg schlängelt sich an den Hängen des sehr weiten Tales entlang. Verkehrslärm, mal stärker und mal schwächer, ist deshalb ein ständiger Begleiter bei der Wanderung auf der sehr stark befahrenen E6. Das ist weniger schön.

Gibt es auch kuriose Streckenabschnitte? Ja die gibt es. 

Auf der 2.Tagesetappe - mein Ziel war ein Platz für mein Zelt in der Nähe des Flughafens Gardermoen - war ich auf einer kleinen Landstraße unterwegs. Plötzlich, direkt hinter einem Bauernhof, zeigte die Wegmarkierung an einem Straßenschild an, dass ich nach links abbiegen sollte. Da war kein Weg zu sehen. In ca. 50 Metern Entfernung stand aber eine weitere Wegmarkierung. Das war einer dieser ca. 80 cm hohen Pfosten, die immer an wichtigen Richtungsänderungen stehen. Als ich den Pfosten erreicht hatte, zeigte der Richtungspfeil auf dem Pfosten mitten in ein Getreidefeld hinein. Dort war nur eine dieser Traktorspuren zu sehen, die von den Bauern immer wieder für bestimmte Tätigkeiten (Dünger ausbringen, Spritzen gegen Getreidekrankheiten usw) genutzt werden. Verwundert schaute ich mich um, ob ich in der Sendung "Verstehen Sie Spaß" bin. Dann bin ich nochmals zurück zur Straße gegangen und überprüfte, ob jemand die Markierung an dem Straßenschild manipuliert hat. Ich konnte nichts feststellen. Dann bin ich wieder zu dem Markierungspfosten gegangen und überprüfte den auch. Auch hier konnte ich keine Manipulation erkennen. Dann bin ich einige Meter der Traktorspur gefolgt um nach Fußspuren zu suchen. Tatsächlich konnte ich welche finden. Es war eindeutig, der weitere Weg führte über das Getreidefeld, immer der Traktorspur folgend. In ca. 1 km Entfernung konnte ich einen Wald erkennen. Spätestens da musste die nächste Wegmarkierung zu finden sein. Als ich den Waldrand erreicht hatte, suchte ich fieberhaft nach der Wegmarkierung. Nach weiteren 300 Metern auf dem Feld fand ich endlich die lang ersehnte Wegmarkierung. Vom Feldrand führte ein kleiner, kaum sichtbarer, Pfad in den Wald hinein. Dort hing dann die gesuchte Wegmarkierung in einem Abstand von ca. 10 Metern vom Feldrand entfernt. Vom Feldrand war diese Wegmarkierung nur sehr schwer zu erkennen.

Jetzt wird sich mancher fragen, was mein Navigationsgerät zu dieser Situation gesagt hat. Mein Navigationsgerät hätte mich weiter auf der kleinen Landstraße entlang geführt. Aber wie ich weiter oben schon ausgeführte, verändern die örtlichen Wandervereine manchmal sehr kurzfristig den Verlauf des Olavswegs. In einem solchen Fall folge ich dann lieber den Wegmarkierungen. Egal, wie kurios die manchmal auch sein mögen.

Wanderung

Am Morgen des 5.Juli bin ich dann zum Startpunkt des Olavswegs gegangen.

Es wäre möglich gewesen den Olavsweg auch in der Nähe des Flughafens Gardermoen zu beginnen. Gardermoen war das geplante Ziel meiner 2.Tagesetappe und ca. 60 km in nördlicher Richtung vom Startpunkt in Oslo entfernt. Aber ich wollte den Olavsweg in seiner gesamten Länge gehen.

Am Startpunkt des Olavswegs, der Hallvardskatedralen, wollte ich das obligatorische Startfoto am 643-km-Stein machen. Das war aber nicht so einfach. Dafür brauchte ich eine Person, die das Foto von mir machen musste. 30 Minuten musste ich auf diese eine notwendige Person warten. Dann konnte ich endlich meine Wanderung, stark verspätet, beginnen.

Auf den ersten 8 Tagesetappen schaffte ich insgesamt ca. 260 km, weitaus mehr als von mir ursprünglich geplant. Das sind im Schnitt ca. 32,5 km pro Tag. Möglich war das nur, weil es auf diesen Tagesetappen unheimlich viele Passagen auf Radwegen und Straßen gab und der Charakter der Wanderstrecke nicht so bergig war. Das ermöglichte ein hohes Gehtempo. Im Bereich dieser Tagesetappen liegen die großen Städte Hamar, Brumunddal und Lillehammer mit ihren jeweiligen Einzugsgebieten, die man passieren musste.

Der OUTDOOR-Reiseführer war zu diesem Zeitpunkt bereits bei der 13.Tagesetappe angekommen. Ich hatte mir also gegenüber dem Reiseführer einen gehörigen Vorsprung herausgelaufen, von dem ich im weiteren Verlauf der Wandertour zehren konnte.

Ab der 9.Tagesetappe bin ich von meinen geplanten Tagesetappen (Streckenlänge) abgewichen und nach den passenden Etappenvorschlägen aus dem OUTDOOR-Reiseführer gelaufen. Das machte ich, weil es ab Lillehammer nicht mehr so viele Straßenabschnitte gegeben hat. Das Gelände ist schwieriger geworden. Teilweise gab es ab diesem Zeitpunkt anstrengende Teilabschnitte auf den einzelnen Tagesetappen, die z.B. auch über Holzleitern führten.

Durch diese Vorgehensweise der Etappeneinteilung konnte ich meinen Ankunftstermin in Trondheim exakt einhalten. Allerdings durfte es unterwegs keine Verzögerung geben. Auch meine geplanten Zero-Days (Ruhetage) sind diesem strengen Zeitplan zum Opfer gefallen. Das bedeutet, dass ich 26 Tage durchgelaufen bin. Zwar absolvierte ich einige Nero-Days (kurze Tagesetappen), aber der strenge Zeitplan hat mich gehörig unter Termindruck gesetzt. Für zukünftige Wandertouren beschloss ich, dass ich das nicht mehr so machen werde. Einen fest definierten Endtermin für eine Wandertour wird es nicht mehr geben. Am Ende einer Wandertour plane ich seit diesem Zeitpunkt immer mindestens einen Puffer von 5 bis 7 Tagen ein. Damit kann ich relativ flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.

Ich begann meine Tagesetappen immer zwischen 6 Uhr und 7 Uhr („Der frühe Vogel fängt den Wurm“, heißt es so schön in einem Sprichwort). Der frühe Starttermin hat mir tagsüber einen großen zeitlichen Spielraum verschafft. Über-30-km-Etappen konnte ich so oft schon gegen 15 Uhr oder 16 Uhr beenden. In Norwegen ist es bis gegen 22 Uhr noch sehr hell, so dass ich durchaus noch einige Kilometer hätte laufen können. Aber durch den engen Terminplan und den geplanten Wegfall der Zero-Days (Ruhetage) war ich darauf angewiesen Zeit für die tägliche Regeneration zu gewinnen. Das hat gut funktioniert und ich konnte an jedem Morgen gut erholt meine nächste Tagesetappe in Angriff nehmen. Dieses zeitliche Vorgehen bei den Tagesetappen (früher Start, frühes Ende), kombiniert mit einigen Nero-Days (Tage mit kurzen Tagesetappen), werde ich auch bei zukünftigen Langstreckenwanderungen anwenden. Das erspart mir doch den einen oder anderen Zero-Day (Ruhetag).

Die schönsten Tagesetappen waren die Etappen über das Fjell. Mich fasziniert diese Landschaft immer wieder aufs Neue. Der weite Blick in die baumlose unendliche Weite der Hochebene, nur unterbrochen von einzelnen Vogelstimmen, entschädigt für die Mühen der vorherigen Wandertage.

In unregelmäßigen Abständen stehen am Rande des Olavswegs immer wieder große km-Steine, die die Entfernung zum Nidarosdomen in Trondheim angeben. Das ist eine sehr gute Orientierungshilfe, wie viele Kilometer noch zu bewältigen sind. Am Anfang ist das manchmal entmutigend, aber je näher man dem Ziel kommt, umso hoffnungsvoller und zuversichtlicher erscheinen einem die verbliebenen Restkilometer.

Am 30.Juli, nach exakt 26 Tagen und 643 km, bin ich, wie geplant, am Nidarosdomen von Trondheim angekommen. Nach dem obligatorischen Foto am 0-km-Stein ließ ich mich noch im Pilgerzentrum von Trondheim registrieren. Dann bin ich zum vereinbarten Treffpunkt gegangen, wo mich meine Frau und meine Freunde empfingen. Dann konnte der gemeinsame Urlaub endlich beginnen.

Wetter

Ich war im Juli auf dem Olavsweg unterwegs. Das ist, neben dem Juni und dem August, die Hauptwanderzeit in Norwegen. Ich hatte während der 26 Tage meiner Wanderzeit an 3 Tagen Dauerregen. Davon bin ich an einem Tag im Starkregen unterwegs gewesen. Wegen der angenehmen Temperaturen um diese Jahreszeit, war das allerdings kein Problem. Mit Regenjacke, Regenkilt und Gamaschen überstand ich die Regentage ohne nennenswerte Schwierigkeiten.

Manchmal hat es in der Nacht geregnet. Das war aber insofern gut, weil dadurch die Wanderwege tagsüber nicht so staubig waren.

Sonst war es meist bedeckt oder leicht bewölkt, bei Temperaturen um 18°C bis 25°C. Das ist ideales Wanderwetter.

Übernachtungen

Während der 26 Tage meiner Wanderschaft übernachtete ich 13 mal im Zelt und 13 mal in festen Unterkünften (Pilgerherbergen, Hütten).

Eigentlich wollte ich nur im Zelt übernachten. So war der Plan.

In Norwegen gilt das Jedermannsrecht und damit ist das Wildzelten erlaubt. Trotzdem übernachtete ich mit meinem Zelt oft auf Campingplätzen, wenn es sich am Ende einer Tagesetappe angeboten hat. Auf Campingplätzen konnte ich Körperpflege betreiben, nach Bedarf Wäsche waschen und meine Nahrungsvorräte auffüllen.

In freier Wildbahn übernachtete ich natürlich auch. Die Suche eines geeigneten Platzes für das Zelt war aber manchmal nicht so einfach, wie sich das manche so vorstellen. Das Gudbrandsdalen ist eine Kulturlandschaft, die stark besiedelt ist und auch stark wirtschaftlich, vor allem landwirtschaftlich, genutzt wird. Überall gibt es Ortschaften, Felder, Wiesen, Straßen und Wege. Geeignete Plätze für eine Übernachtung, die bestimmte Bedingungen erfüllen, sind nicht leicht zu finden. Die wichtigste Bedingung ist ein gewisser Sichtschutz. Wie auf dem Präsentierteller wollte ich nicht übernachten.

Einmal suchte ich mehrere Stunden nach einem geeigneten Platz für das Zelt. Der geplante Schlafplatz am Ende einer Tagesetappe von 24 km hat mir nicht zugesagt. Also bin ich einfach weitergegangen. So absolvierte ich noch weitere 10 km auf der Suche nach einem geeigneten Platz für das Zelt. Gegen 22 Uhr nutzte ich dann frustriert und müde die nächste Gelegenheit. Das war ein Platz mit einem felsigen Untergrund. Dort musste ich mein Zelt freistehend aufbauen. Dazu konnte ich allerdings meine Trekkingstöcke nicht verwenden, weil diese aus Gewichtsgründen keine Teleskop-Trekkingstöcke sind. Deshalb verlängerte ich in meiner Not alle Abspannschnüre mit Bindfaden, der immer in meinem Rucksack steckt. So konnte ich diese verlängerten Abspannschnüre um größere Steine wickeln, die es in großer Anzahl in der Nähe meines Schlafplatzes gegeben hat. Damit stand das Zelt einigermaßen sicher. Seit diesem prägenden Erlebnis bin ich immer mit verlängerten Abspannschnüren an meinen Zelten oder Tarps unterwegs.

Auch in Unterkünften übernachtete ich. Das war zwar nicht so geplant, aber rückblickend muss ich sagen, dass das genau richtig war. Es gibt Unterkünfte, die muss man einfach erleben.

In Unterkünften treffen sich die Wanderer und tauschen sich aus. Die erste Unterkunft, das Pilgerzentrum in Hamar, suchte ich am Nachmittag der 5.Tagesetappe auf. Ich wollte mal wieder in einem richtigen Bett schlafen, mich duschen und Wäsche waschen. Zu meiner Überraschung war das Pilgerzentrum voll belegt. Alles Deutsche und darunter mehr Frauen als Männer. Das war die nächste Überraschung. Auch Frauen, die allein unterwegs waren. Davon sollte ich später noch einige mehr treffen.

Nach der 11.Tagesetappe übernachtete ich in Sygard Grytting. Das ist eine sehr schöne und urige Unterkunft. Die Gastgeber bieten ein sehr üppiges Dinner an, das allerdings seinen Preis hat. Ich verzichtete dankend darauf und begnügte mich mit einer Suppe.

Im Jorundgard Middelaldersenter übernachtete ich nach der 14.Tagesetappe. Das ist eine Filmkulisse, die nach dem Vorbild eines norwegischen Dorfes aus dem Mittelalter aufgebaut wurde. In einem der Häuser konnte man in mittelalterlichen Betten auf Fellen schlafen. Auch eine volleingerichtete Küche war vorhanden. Aus optischen Gründen war diese Küche aber versteckt hinter einem Haus des Dorfes angelegt.

Ein absolutes Muss ist Engelshus, das einige Kilometer vor Dovre liegt, dem Einfallstor zum gleichnamigen Dovrefjell. Dort übernachtete ich nach der 15.Tagesetappe. Die Gastgeber sind ein älteres Ehepaar, die sich liebevoll um ihre Gäste kümmern. Am Nachmittag gab es Kaffee und Kuchen, am Abend ein üppiges einfaches Dinner.

Jetzt kommen die Fjell-Tagesetappen, die schönsten Tagesetappen des Olavswegs. Über das Fjell gelangt man zum höchsten bewirtschafteten Bauernhof in Norwegen, Fokstugu, der auf ca. 1000 Meter Höhe liegt. Dort übernachtete ich nach der 16.Tagesetappe. Die Betreiber des Bauernhofes, ein Norweger mit seiner schwedischen Frau, bewirtschaften den Hof bereits in der 11.Generation. Beide sind sehr gottesfürchtig und halten jeden Abend einen Gottesdienst in einer kleinen Kapelle ab, an dem auch Pilger teilnehmen können.

In Haverstolen übernachtete ich nach der 20.Tagesetappe. Das ist ein sehr schöne und urige Unterkunft mit einem großen Gemeinschaftsschlafraum. An diese Nacht habe ich allerdings keine guten Erinnerungen. Erstmal hat neben mir ein Italiener geschlafen, der fürchterlich geschnarcht hat. Da konnten meine Ohrenstöpsel wenig ausrichten. Dann brachten mich zusätzlich unzählige Fliegen um einen erholsamen Schlaf. Seit dieser Wandertour ist immer ein Moskito-Kopfnetz von Sea To Summit (21 g) in meiner Ausrüstung. Zu der Unterkunft gehört eine kleine Küche, die auch die wichtigsten Lebensmittel enthält, die ein Wanderer gern in seinem Rucksack dabei hätte.

Ein weiteres absolutes Muss ist Meslo Gard, das ich nach der 21.Tagesetappe erreichte. Dort hat uns die Gastgeberin, Ingrid Meslo, ein sehr üppiges Dinner angeboten. Ein besonderer Höhepunkt war Bettwäsche und ein großes Handtuch zum Duschen. In allen anderen Unterkünften schläft man in der Regel in seinem eigenen Schlafsack. Für mich war das daher etwas ganz Besonderes.

Den absoluten Höhepunkt, was die Übernachtungen angeht, sollte ich ausgerechnet am vorletzten Wandertag erleben. Meine geplante Übernachtungsstelle für diese 25.Tagesetappe verschmähte ich und bin einfach weitergelaufen. So bin ich von der letzten Tagesetappe schon 8 km gegangen und war ca. 13 km vor Trondheim. Für meine Verhältnisse war es bereits sehr spät und ich sah mich nun intensiv nach einem geeigneten Zeltplatz um. Dann entdeckte ich ihn durch Zufall, einen kleinen See (Stor-Leivsjoen) mitten im Wald, in dem sich die Bäume vom Uferrand des Sees spiegelten. Auf dem See waren viele Seerosen zu sehen. Mein Zelt baute ich an einer Stelle am Uferrand auf, wo ein leichter Zugang zum See möglich war. Nach einem erfrischenden Bad in den späten Abendstunden, ich war allein am See, bereitete ich mich auf die Nachtruhe vor. Für mich war diese Übernachtung, obwohl es in der Nacht sehr kalt war, die schönste Übernachtung der vergangenen 25 Wandertage.

Versorgung

Die Versorgung mit Lebensmitteln stellt in Norwegen, abgesehen von den Preisen, kein Problem dar. Fast in jedem noch so kleinen Ort gibt es Einkaufsmöglichkeiten, die im Sommer bis gegen 21 Uhr oder sogar 22 Uhr geöffnet haben.

Beliebte Anlaufstellen für die Nahrungsbeschaffung auf der Wandertour waren auch Tankstellen.

Selbst in den jeweiligen Unterkünften verkaufen die Gastgeber kleinere Mengen an Lebensmittelvorräten, die man für die nächsten Wandertage käuflich erwerben konnte. Viele Übernachtungsstellen, ob Campingplätze oder feste Unterkünfte, boten auch am Abend einfache Gerichte an. Verhungert bin ich jedenfalls nicht.

Und Wasser ist eines der geringsten Probleme in Norwegen. Wasser gibt es überall und im Überfluss. Ich achtete lediglich darauf, wo das Wasser herkommt. Wenn ich sah, dass oberhalb der möglichen Wasserentnahmestelle eine Siedlung war oder Tiere weideten, dann vermied ich die Wasserentnahme. Ansonsten kann man das Wasser ohne besondere Behandlung bedenkenlos trinken. Das hat mir eine deutsche Wissenschaftlerin bestätigt, die ich im Fjell traf und die dort die Qualität des Wassers überprüft hat.

Menschen

Bis zum Pilgerzentrum in Hamar, dem Ende der 5.Tagesetappe, traf ich keinen einzigen anderen Wanderer. Gewundert hat mich das schon. Im Pilgerzentrum in Hamar, das über 10 Schlafplätze verfügt, war die Bude plötzlich voll belegt. Alles Deutsche, Männer und Frauen, die einzeln oder in kleinen Gruppen unterwegs waren. Später ist mir klar geworden, warum ich auf den ersten Tagesetappen vermeintlich allein unterwegs war. Viele Wanderer steigen erst in Hamar oder noch später in Lillehammer in den Olavsweg ein. Die vielen Straßenkilometer schrecken offenbar viele Wanderer ab. Einheimische Wanderer, die ich auf späteren Tagesetappen traf, bestätigten mir diese Vermutung.

Wenn man Pech hat bzw. zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf dem Olavsweg wandert, kann es passieren, dass alle Betten bestimmter Unterkünfte belegt sind. Sehr oft sind Pilgerpfarrer, so z.B. der deutsche Pilgerpfarrer Lohse, mit größeren Gruppen auf den Fjell-Tagesetappen unterwegs und buchten natürlich die Betten in den Unterkünften weit im voraus. Auch größere Reisegruppen, deren Gepäck von Unterkunft zu Unterkunft mit Fahrzeugen transportiert wird, kann man auf den schönsten Tagesetappen antreffen. Zweimal übernachtete ich mit solchen Reisegruppen in der selben Unterkunft. Nach 2 Tagen konnte ich die Reisegruppe „abschütteln“, da deren Tagesetappen in der Regel nicht so lang sind.

Was mich total überrascht hat, sind viele deutsche Frauen, die allein unterwegs waren. Da traf ich einige. Manche wollten den ganzen Olavsweg laufen. Andere unterteilen sich den Olavsweg in mehrere (2 oder 3) Abschnitte und wandern in jedem Jahr einen Abschnitt, so wie es der Urlaub zulässt.

Natürlich traf ich auch einige „exotische“ Wanderer.

Ein brasilianisches Ehepaar, das unschwer an der schreiend bunten Wanderkleidung zu erkennen war.

Einen jungen Slowaken, mit dem ich stundenlang in einer Unterkunft über Gott und die Welt diskutierte und der den Olavsweg am 12.Juli begonnen hat und der am 28.Juli in Trondheim pünktlich zu einem großen Kirchenfest ankommen wollte. Ob er dieses Höllentempo von manchmal über 40 km am Tag durchgehalten hat und ob er wie geplant in Trondheim angekommen ist, weiß ich nicht.

Eine Koreanerin mit ihrer 12-jährigen Tochter und ihrer Freundin. Die Koreanerin hatte einen großen Rucksack auf der Schulter und vorn nochmal einen kleineren Rucksack. Wie man damit wandern kann ist mir bis heute ein Rätsel. Es muss irgendwie gehen, denn in 3 Unterkünften traf ich dieses seltsame Trio an.

Einen Österreicher, den Josef, der mit einem riesigen Rucksack auf den Schultern unterwegs war. Einen Tag sind wir gemeinsam gelaufen. Dann verloren wir uns aus den Augen.

In den Unterkünften liegen oft Gästebücher aus. Auch mitten in der Wildnis sind diese Gästebücher, regensicher in Kisten verpackt, zu finden. Die meisten Wanderer tragen sich dort mit ihrem Vornamen, dem Datum und dem Herkunftsland ein. So ist sehr gut zu verfolgen, wer gerade einen oder zwei Tage voraus ist. Auf einer Tagesetappe traf ich auch zwei Wanderer aus Sachsen-Anhalt (aus WR und SFT) und bin mit ihnen einige Kilometer gegangen. Schnell merkte ich, dass die beiden für mich viel zu schnell unterwegs waren und ließ sie ziehen. In den Gästebüchern konnte ich dann sehr schön sehen, dass sie eigentlich auch nicht viel schneller als ich unterwegs waren. Sie waren immer einen Tag vor mir in den Unterkünften.

Sind mir Begegnungen mit Menschen in besonderer Erinnerung geblieben?
   

Ja, auf der 5.Tagesetappe in Richtung Hamar, wo ich im Pilgerzentrum übernachten wollte, war ich ca. 10 km vor Hamar. Die 5.Tagesetappe war wieder eine dieser hammerharten Straßenetappen, von denen es in der ersten Woche einige gegeben hat. An einem Zaun eines allein stehenden Hauses (Herkestad Gard) hing eine Tafel, auf der in Deutsch geschrieben stand, dass es Kaffee und Kuchen gibt. Nachdenklich setzte ich meinen Weg fort. Nach 100 Metern bin ich umgekehrt, mit dem Gedanken, dass ein Kaffee jetzt nicht schlecht wäre. Hinter dem Haus gab es eine sehr schöne schattige Sitzgelegenheit. Nachdem ich in Englisch meine Wünsche geäußert hatte, sprach mich die Gastgeberin Bente, eine rüstige Rentnerin, in perfektem Deutsch an. Sie hatte sofort erkannt, aus welchem Land ich komme. Sie hat mich fürstlich bewirtet und nebenbei unterhielten wir uns mindestens eine Stunde. Dabei erfuhr ich, dass sie viele Jahre in Deutschland in Bonn gelebt und gearbeitet hat. Dann kam noch ihre 17-jährige Tochter hinzu, die mich kurz vorher mit dem Rennrad auf der Straße überholt hatte. Auch sie sprach perfekt Deutsch. Bente hat dann für mich telefonisch noch ein Bett im Pilgerzentrum in Hamar organisiert, was mir vorher auf der Straße mehrfach misslungen war. Nach dieser schönen Begegnung nahm ich tiefenentspannt die letzten Kilometer nach Hamar in Angriff, mit dem Wissen, dass ich nach 5 Tagen wieder in einem Bett schlafen werde.

Pilgerausweis

Am Ende der Wandertour ließ ich mich im Pilgerzentrum von Trondheim registrieren. Das Pilgerzentrum liegt direkt neben dem Nidarosdomen. Bei der Registrierung erhält man als Erinnerung eine schöne Urkunde. Als Nachweis für die absolvierte Wandertour ist allerdings ein Pilgerausweis mit einer gewissen Anzahl von Stempeln von den unterschiedlichsten Anlaufstellen (Kirchen, Pilgerzentren, Campingplätze, Hotels, Hüttencenter usw) erforderlich. Am Anfang meiner Wanderung in Oslo war mir das überhaupt nicht bewusst, dass ich evtl. einen Pilgerausweis für die Registrierung benötigen würde. Im Pilgerzentrum in Hamar, nach der 5.Tagesetappe, als ich die ersten Wanderer traf, hat mich ein Wanderer auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Ab diesem Zeitpunkt sammelte ich auch fleißig Stempel.

Sollte ich in Zukunft nochmal auf einem Pilgerweg unterwegs sein, werde ich mir den Pilgerausweis weit vor dem Antritt meiner Wandertour besorgen. Dafür gibt es auch in Deutschland entsprechende Anlaufstellen.

Abreise

Die Abreise war bei dieser Wandertour kein Problem, weil mich meine Frau und meine Freunde am Nidarosdomen in Trondheim einfach mit dem Auto „aufsammelten“. Der geplante 14-tägige Erholungsurlaub konnte pünktlich und ohne Verspätung beginnen.


Statistik

Streckenlänge gesamt                          643 km

Tagesetappen gesamt                            26
…davon <   15 km                                    4
…davon >= 30 km                                    6
…davon Sonnentage                              23
…davon Regentage                                 3
…davon Ruhetage                                   0

Tagesdurchschnitt gesamt                     24,7 km/Tag

Übernachtungen in Herbergen              13
Übernachtungen im Zelt/Tarp                13

 
Tracks, Wegpunkte und Bilder

Wie immer gibt es am Ende des Berichts noch einen Hinweis auf wichtige Daten meiner Wandertour. Das sind vor allem meine eigenen Tracks und Wegpunkte, die ich zur Navigation verwendete.

Auf der rechten Seite meines Blogs befindet sich das Tourenverzeichnis. Hinter der Zeichenkette "GPX" versteckt sich in den meisten Fällen ein Link,
der den direkten Download meiner Tracks und Wegpunkte erlaubt.

     WT002_NO_Olavsweg_Tracks.gpx

Zum Schluss gibt es noch einige Bilder, die die schönsten Momente dieser Wanderung festhalten. Der Link verzweigt in ein GoogleDrive-Verzeichnis.

     WT002_NO_Olavsweg_Bilder

Zusätzlich befindet sich auf der rechten Seite meines Blogs im Tourenverzeichnis die Zeichenkette "Bilder", hinter der sich ebenfalls ein Link zu den Bildern dieser Wandertour befindet. 

 
Fazit

Ich möchte nochmals ausdrücklich betonen, dass diese Wandertour auch für den Anfänger hervorragend geeignet ist.

Trotz der vielen Straßenkilometer erhält diese Wandertour von mir eine klare Empfehlung.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen